Glossar
Genossenschaft
(abgeleitet vom althochdeutschen "noz", was soviel bedeutet wie Vieh. Dazu kommt die Vorsilbe "Gi" oder "Ge", die immer auf eine Gemeinsamkeit hinweist. So ist der Geselle jemand, der im gleichen Saal weilt, also den gleichen Raum teilt, der Gefährte Teilnehmer einer gemeinsamen Fahrt, und der Genosse hat Anteil am Vieh oder an der Viehweide. Die Viehhaltung aber war Angelegenheit der "ginoz-caf" – im Althochdeutschen das Wort für Genossenschaft.
(Quelle: Faust, Helmut: Geschichte der Genossenschaftsbewegung. Frankfurt a. M. 1977, Seite 20)
Gemeinsam seine Ziele besser zu erreichen als jeweils für sich allein – das war seit jeher Grundgedanke einer jeden Genossenschaft.
Genossenschaftliche Kooperation bietet sich also immer dann an, wenn das Verfolgen eines wirtschaftlichen Ziels die Leistungsfähigkeit eines Einzelnen übersteigt, zugleich aber dessen selbständige Existenz gewahrt werden soll.
Hauptaufgabe der Genossenschaft ist es, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Miteigentümerinnen und Miteigentümer zu ergänzen und zu unterstützen (Förderauftrag). So tritt man beispielsweise gemeinsam am Markt auf, um günstigere Absatz- oder Einkaufskonditionen zu erlangen. Oder man bündelt betriebliche Funktionen, um sich auf sein eigenes Kerngeschäft konzentrieren zu können.
Förderauftrag
Anders als Kapitalgesellschaften sind Genossenschaften durch ihren satzungsgemäßen "Förderauftrag" vor allem einem Ziel verpflichtet: der wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder, also Miteigentümer und Miteigentümerinnen.
Ein wesentlicher Unterschied!
Natürlich müssen sich auch Genossenschaften professionell, marktkonform und betriebswirtschaftlich effizient verhalten, um erfolgreich zu wirtschaften und wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch steht dabei nicht die Gewinnmaximierung für Einzelne oder für anonyme "Shareholder" im Vordergrund, sondern das langfristige Wohl aller Miteigentümerinnen und Miteigentümer.
Auf dieser Grundlage stiften Genossenschaften nachhaltigen Nutzen und fördern zudem das Miteinander in ihrer jeweiligen Region – etwa durch Unterstützung von sozialen und gemeinnützigen Projekten oder Vereinen, durch kulturelle Initiativen, Bildungsangebote usw.
Solidarität
(abgeleitet vom lateinischen "solidus" = gediegen/echt/fest)
Solidarität ist ein zentraler Wert der genossenschaftlichen Idee.
Und dieser Wert wirkt in drei Richtungen:
Zum einen sind die einzelnen Raiffeisen-Genossenschaften untereinander solidarisch. Denn obwohl jede einzelne Genossenschaft ein selbständiges Unternehmen ist, sollen doch jeder Miteigentümerin und jeder Kundin und jedem Miteigentümer und jedem Kunden Sicherheit und Vorteile einer starken Gruppe zugutekommen.
Zum zweiten ist die Genossenschaft solidarisch mit ihren Miteigentümerinnen und Miteigentümern. Auf Grundlage ihres Förderauftrags sorgt sie dafür, dass diese in ihrer konkreten Lebenssituation und entsprechend ihren persönlichen Wünschen und Zielen bestens betreut werden.
Zum dritten darf die Genossenschaft darauf vertrauen, dass ihre Miteigentümer und Miteigentümerinnen auch selbst dazu bereit sind, ihren Beitrag zu leisten, also solidarisch mit den Anliegen ihrer jeweiligen Genossenschaft zu sein.
Subsidiarität
(vom lateinischen "subsidium" = Hilfe, Reserve)
Zusammenarbeit erfolgt bei Raiffeisen-Genossenschaften stets nach dem Grundsatz der Subsidiarität:
Die Kraft der Genossenschaft wird nur dort eingesetzt, wo die Kraft der einzelnen Person nicht ausreicht und sie daher Hilfe benötigt. Von der Gemeinschaft werden also nur jene Aufgaben erbracht, die die einzelne Person nicht ebenso gut selbst erfüllen könnte.
Dieses Prinzip gilt innerhalb jeder einzelnen Genossenschaft ebenso wie für die Zusammenarbeit verschiedener Genossenschaften im Raiffeisen-Verbund.
Auf Grundlage der Subsidiarität ist es der einzelnen Person also möglich, entsprechend ihren besonderen Talenten zu einem größeren Ganzen beizutragen. Dabei bleibt sie selbstbestimmt und eigenverantwortlich – auch was die allfällige Entscheidung angeht, Hilfe zu erbitten, wenn die eigenen Fähigkeiten an ihre Grenzen stoßen.
Identitätsprinzip
(vom lateinischen "idem" = derselbe, dasselbe)
Im Verlauf ihrer über 150-jährigen Geschichte haben sich Genossenschaften in den verschiedensten Regionen und Märkten etabliert und sich dabei oft recht unterschiedlich entwickelt, was ihre Größe und Struktur angeht. Allen Genossenschaften ist jedoch gemeinsam, dass ihre Mitglieder zugleich ihre Eigentümerinnen, Eigentümer, Kunden und ihre Kundinnen sind. Jede Miteigentümerin und jeder Miteigentümer ist also finanziell beteiligt. Sie haben entsprechend den Satzungen bestimmte Befugnisse der Mitentscheidung und sind zugleich Leistungsabnehmer der Genossenschaft.
Dieses so genannte Identitätsprinzip unterscheidet eine Genossenschaft von allen anderen Formen der kooperativen Zusammenarbeit
Mitgliedschaft
In einer Genossenschaft schließen sich die Mitglieder freiwillig zusammen, um gemeinsam zu wirtschaften.
Für die Gründung einer Genossenschaft gibt es im österreichischen Genossenschaftsgesetz keine Mindestzahl an Mitgliedern. Es genügen daher jedenfalls zwei Gründungsmitglieder. Diese können – abhängig von der jeweiligen Satzung – ebenso natürliche wie juristische Personen oder Personengesellschaften sein.
Genossenschaften zeichnen sich zudem durch eine "Offene Mitgliedschaft" aus, das bedeutet, sie haben keine eingeschränkte Mitgliederzahl. Jeder, der als Mitglied eintreten will, hat dazu im Rahmen der satzungsgemäßen Regelungen die Möglichkeit.
Mitglieder einer Raiffeisen-Genossenschaft haben keinen jährlichen Mitgliedsbeitrag zu leisten. Sie zeichnen nur einmal, beim Beitritt zur Genossenschaft, zumindest einen Geschäftsanteil und erhalten diesen bei allfälliger Beendigung der Mitgliedschaft in voller Höhe zurück.
Zusätzlich zum Recht der Mitbestimmung genießen Mitglieder einer Genossenschaft weitere Vorteile, erhalten etwa bestimmte Sonderleistungen oder werden bevorzugt zu verschiedensten Informations- und Diskussionsveranstaltungen eingeladen.
Mitverantwortung
Grundlage für gelebte Mitverantwortung ist das Prinzip der Selbstverwaltung. Das bedeutet, die Miteigentümerinnen und Miteigentümer ordnen die internen Verhältnisse ihrer jeweiligen Genossenschaft eigenständig und tragen auf unterschiedliche Weise Verantwortung für deren aktuelle Ausrichtung und Zukunft.
Jährlich werden die Mitglieder, also alle Miteigentümerinnen und Miteigentümer, zur Generalversammlung geladen, erhalten dort Einblick in die aktuellen Geschäftszahlen und stimmen über alle Grundsatz-Entscheidungen der Genossenschaft ab.
Dabei hat jede Miteigentümerin und jeder Miteigentümer – unabhängig von der Höhe der Kapitalbeteiligung an der Genossenschaft – nur eine Stimme. Auf diese Weise wird die Genossenschaft vor der Dominanz einzelner Mehrheitseigentümer bewahrt.
Von der Generalversammlung gewählte Funktionärinnen und Funktionäre vertreten im Vorstand oder Aufsichtsrat die Interessen der Mitglieder und entscheiden über Auswahl, Anstellung oder Abberufung von Führungskräften. Zugleich repräsentieren sie die Genossenschaft nach außen.
So sind Raiffeisen-Genossenschaften in ihrem Innenverhältnis keinen Weisungen Dritter unterworfen und vor Fremdeinflüssen weitestgehend geschützt.
Regionalität
(vom lateinischen "Regio" = eine geographische- und Verwaltungsgliederung des Römischen Reiches zur Kaiserzeit)
Der Aktionsradius einer Raiffeisen-Genossenschaft soll möglichst überschaubar – regional – sein. Das garantiert hohe Beweglichkeit im geschäftlichen Alltag, beste Kenntnis des Marktes sowie der Kundinnen und Kunden und größtmögliche Nähe zu den Bedürfnissen der Miteigentümerinnen und Miteigentümer.
Regionalität in Kombination mit einer weiteren genossenschaftlichen Stärke, der Selbstverwaltung, ermöglicht zudem kurze Entscheidungswege und -zeiträume auch bei großen geschäftlichen Entscheidungen.
Verbund
Auf Grund ihrer Größe, Dezentralität und meist kleinregionalen Ausrichtung haben sich Raiffeisen-Genossenschaften in verschiedenen Verbundeinrichtungen zusammengeschlossen.
Die gezielte Verlagerung von Aufgaben auf Verbundunternehmen führt einerseits zu höherer Wettbewerbsfähigkeit, andererseits können Selbständigkeit und regionale Überschaubarkeit beibehalten werden. So wird das Prinzip der Solidarität sinnvoll erweitert.
Oft werden Verbundunternehmen, die aus primär betriebswirtschaftlichen Gründen gebildet werden, noch durch zusätzliche administrative Verbundeinrichtungen ergänzt, die Raiffeisen-Genossenschaften beraten oder prüfen, deren Interessen vertreten oder deren Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Funtkionäre und Funktionärinnen fortbilden.
Streng nach dem Subsidiaritätsprinzip übernehmen Verbundeinrichtungen aber nur die Aufgaben, die von den einzelnen Genossenschaften nicht zumindest genauso gut oder sinnvoll selbst wahrgenommen werden könnten.
Geringe Insolvenzfälle
Jede Genossenschaft ist nach dem Genossenschaftsgesetz verpflichtet, einem Prüfungsverband anzugehören. Dieser übernimmt die regelmäßige Kontrolle der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Geschäftsführung der Genossenschaft und betreut sie darüber hinaus in betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragen.
Diese regelmäßige Prüfung (Revision) schützt sowohl Miteigentümer und Miteigentümerinnen als auch alle Unternehmen und Personen, die mit der Genossenschaft verbunden sind, vor finanziellem Schaden und macht sie so zur mit Abstand sichersten Rechtsform in Österreich.